Martin Luther King jun.
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MARTIN LUTHER KING
und die schwarze gewaltlose Bürgerrechtsbewegung
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Martin Luther King (im fortlaufenden Text mit MLK abgekürzt) wird auch Apostel der Gewaltlosigkeit genannt. Kings Freund, der schwarze Sänger Harry Belafonte, beschreibt einmal die außergewöhnliche Persönlichkeit von MLK so: "Gott erschafft manchmal einen Menschen, der ohne Rücksicht auf sich selbst das tut, was gerecht ist, selbst wenn es ihn am Ende verschlingt. Wir dürfen dankbar sein, daß solch ein Mensch unser Leben berührt hat, wenn auch nur für kurze Zeit."

MLK wurde am 15. Januar 1929 in Atlanta, Georgia, in den Südstaaten der USA geboren. Dort herrschte auch Mitte der 50er Jahre und damals 90 Jahre nach Beendigung der Sklaverei noch immer die Rassentrennung (Segregation).
1863 wurde die Sklaverei durch Präsident Abraham Lincoln gesetzlich verboten. Von der Insel Gorée, Senegal, vor der westafrikanischen Küste, und Cape Coast in Ghana aus wurden vermutlich die meisten afrikanischen Menschen nach Amerika gebracht, in 380 Jahren (erste Sklaven auf den Karibischen Inseln ab 1505, in Brasilien ca. 1530) -nach USA (erste Sklaven 1619) 240 Jahre lang- je 10 Mio. von 50 Mio.; fast noch einmal soviel überlebten die Überfahrt in den Sklavenschiffen nicht (Dauer 6-8 Wochen).

Die Sklaven wurden auf Sklavenmärkten verkauft, waren Besitz der Sklavenhalter und wurden auch so in den Geschäftsbüchern geführt. Die allermeisten Afroamerikaner wissen bis heute nicht, wie ihre Vorfahren in Afrika hießen und aus welcher Gegend des Kontinents sie stammten. Sie wurden nicht als vollwertige Menschen anerkannt, waren entwurzelt, und an den Folgen der Sklaverei durch jahrhundertelange Verschleppung von Millionen Menschen leidet Afrika bis heute. Man nahm den Schwarzen nicht nur ihre kulturelle und religiöse Identität, sondern auch ihren Namen. Sie trugen den Namen ihres Besitzers und ein von diesem zugeteilten Vornamen. Sie mussten täglich bis zu 14 Stunden, manchmal noch länger, ohne Lohn auf den Baumwoll-, Tabak- oder Zuckerrohrplantagen Schwerstarbeit leisten und waren der Willkür ihrer Herrschaft ausgesetzt. Bei diesen unmenschlichen Zuständen war der Gedanke, dem allem zu entkommen, naheliegend. Aber Aufstände und Fluchtversuche von einzelnen Personen waren in der Regel erfolglos und zogen härteste Strafen nach sich. Gut hingegen arbeitete das Netzwerk der Sklavereigegner (Abolitionisten), das viele Sklaven über geheime Wege nach Kanada (dort war die weitere Einfuhr von Sklaven bereits seit 1793 verboten und ab 1800 waren alle Sklaven frei) oder zumindest in die amerikanischen Nordstaaten brachte, die sogen. Underground Railroad. Einer der entflohenen Sklaven war Josiah Henson, der 1830 mit seiner Familie nach Kanada kam und dort aus Dankbarkeit Prediger wurde. Henson galt Harriet Beecher-Stowe als Vorbild für den ,Onkel Tom' aus ihrem weltberühmt gewordenen Buch ,Onkel Toms Hütte'.
Die Sklaven verständigten sich während der Arbeit durch verschlüsselte Nachrichten, den Spirituals (z. B.: Nordstern, Promised Land, Sweet Canaan = Kanada; Jordan = Ohio, jenseits davon gab es keine Sklaverei; Moses = Harriet Tubman; Sweet Chariot = Himmelswagen; wade in the water = durchs Wasser gehen, damit man den Spürhunden die Fährte nehmen konnte; Station, Conductor = Helfer; Passenger = jemand, der mit der Underground Railroad in die Freiheit will) über die Planung einer Flucht und bei den Helfern standen zur Orientierung Kerzen im Fenster. Dies war allerdings höchst gefährlich, sowohl für die Geflohenen als auch für die Helfer. Besonders ist hier Harriet Tubman (selbst eine geflohene ehemalige Sklavin) zu nennen, die unter eigener Gefährdung viele Menschen in die Freiheit gebracht hat und dazu selbst 19mal zurückkehrte, um anderen zur Flucht zu verhelfen. Mit der Underground Railroad kamen zwischen 1800 und 1860 etwa 30 000 - 50 000 entflohene Sklaven nach Kanada. >>Anm.: Spirituals -Arbeitslieder- sind die geheimen Botschaften der Sklaven, Gospels (God spells = Gott spricht) unseren Kirchenliedern vergleichbar.<<

Zurück in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts: Es gab für Weiße und Schwarze z.B. getrennte Kirchen, Schulen und Universitäten, Wohnviertel, Plätze in Restaurants und Warteräumen, Kinositzplätze (die sogen. ,Erdnußgalerie'; bei den ,schwarzen' oberen Plätzen war zumeist kein Notausgang vorhanden, was bei einem Brand tödlich sein konnte, weil die Menschen nicht mehr an den unteren Ausgang kamen), Toiletten und Waschbecken, Parkbänke, Sitzplätze in Bussen (Trennung in vorderen ,weißen' Teil und hinteren ,schwarzen') und Zügen (Abtrennung des ,schwarzen' Bereichs durch einen Vorhang), Trinkbrunnen (Wasserspender), Bibliotheken, teilweise Supermärkte, Krankenhäuser, Bürgersteige (die Schwarzen mussten beim Passieren den Weißen Platz machen und u.U. sogar auf die Straße ausweichen), Umkleidekabinen in Geschäften sowie Schwimmbäder und Fahrstühle durften nur von Weißen benutzt werden. Heiraten zwischen Schwarzen und Weißen waren nicht erlaubt. Dies ist nur eine Auswahl von Beispielen für alltägliche Rassentrennung. Ungerechtigkeiten wie das ungleiche Bildungssystem, das von "Weißen für Weiße" gemacht war, in dem Schwarze mit ihrer Kultur nicht vorkamen, bekam jeder Schwarze, auch MLK, von Kind an zu spüren. Die ,schwarzen' Schulen waren unverhältnismäßig schlecht ausgestattet gegenüber den ,weißen' Bildungseinrichtungen.

MLKs Familie gehörte zur schwarzen Mittelschicht, was es auch nur selten gab. Die überaus meisten Schwarzen waren arm. Martin war ein intelligenter junger Mann und konnte so ab 1944 auf die damals einzige Hochschule für Schwarze im Süden, das Morehouse-College in Atlanta, gehen. Danach studierte er Theologie am Crozer Theologischen Seminar in Chester, Pennsylvania, im Norden der USA (1948-51). Später schrieb er an der Harvard Universität in Boston, Massachusetts, seine Doktorarbeit, die er im Frühjahr 1955 mit seiner Promotion beendete.

MLK war Baptistenpfarrer an der Dexter Avenue Baptist Church in Montgomery, Alabama, einem anderen Südstaatenland. Sein Vater und auch sein Großvater waren bereits baptistische Pfarrer in Atlanta, wo er ebenfalls an der Ebenezer Baptist Church zuvor predigte. Er war seit 1953 verheiratet mit Coretta Scott und hatte mit ihr vier gemeinsame Kinder (* 1955, 1957, 1962, 1963).

In dieser Stadt Montgomery geschah am 1.12.55 etwas Ungeheuerliches für die oben beschriebene Situation im Süden: die schwarze Näherin Rosa Parks weigerte sich, auf der Heimfahrt ihren Bussitzplatz für einen Weißen zu räumen! (Wenn die vorderen ,weißen' Plätze besetzt waren, mussten die Schwarzen hinten Platz für einen ,weißen' Fahrgast machen.) Rosa Parks war nicht nur müde von der Arbeit, sondern auch müde, sich als Mensch 2. Klasse behandeln zu lassen. Sie wurde der Polizei übergeben. Wie ein Lauffeuer sprach sich unter den Schwarzen herum, was passiert war. Dies war der ,Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte'.

In der Holt Street Baptist Church in Montgomery trafen sich 5000 Menschen, um einen Busboykott auszuarbeiten. In großer Einmütigkeit geschah dies, MLK wird zum Aktionsführer aller Beteiligten ernannt.
King brachte das in die richtigen Worte, was alle an Ungerechtigkeiten erdulden mussten, aber nicht
formulieren konnten. Er wies immer wieder darauf hin, dass man nur gewaltfrei eine Veränderung der ungerechten Gesetze herbeiführen kann. Vorbilder für Kings gewaltfreies Handeln waren Jesus und Gandhi. 
                                                                   
Man wusste nicht, was durch diesen Busboykott geschehen könnte und ob er überhaupt von der
schwarzen Bevölkerung angenommen werden würde. Am nächsten Tag jedoch liefen 99,9 %! Und viele hatten einen sehr weiten Weg zur Arbeit und wieder zurück, so dass man auch ,schwarze' Taxis für den Preis einer Busfahrt einsetzte. Aber die Menschen hatten erkannt: Jetzt ist Schluß! Ihr Weißen könnt uns nicht länger unterdrücken! Der Busboykott dauerte ein Jahr, bis die Rassentrennung in Montgomery
aufgehoben wurde. MLK verband alle in Einheit und Gewaltlosigkeit, die er immer wieder hervorhob.
Übrigens wurde Rosa Parks zu 14 Dollar Strafe verurteilt, was dem damaligen Wert von etwa 30 Euro entspricht - für eine Näherin sicher eine relativ hohe Geldstrafe.
Die Gewaltlosigkeit verband die Schwarzen in Montgomery. Trotz Bombenanschlägen, z.B. auf Kings Wohnhaus, das Pfarrhaus der Kirche, konnte MLK noch zur Nächstenliebe aufrufen. Die Kraft zum Weitermachen bezog King aus seiner tiefen Religiosität, er wusste, dass Gott ihn auch in schwersten Stunden nicht allein ließ.

Besonders prägend war ein Erlebnis z. Zt. des Busboykotts, das als "Küchenerlebnis" bekannt ist: Nach einer telefonischen Drohung war King mit seiner Kraft am Ende. In seiner Verzweiflung setzte er sich hin und betete: "Gott, Du weißt, dass ich für eine gerechte Sache kämpfe. Doch jetzt habe ich einen Punkt erreicht, wo ich es allein nicht mehr schaffe. Ich habe Angst." Dies war nur allzu menschlich und verständlich, zumal er auch eine Familie hatte. Und während er voll Vertrauen seine Last vor Gott aussprach, hörte er eine innere Stimme, die ihm sagte: "Steh' auf für die Gerechtigkeit und die Wahrheit! Und Gott wird immer an deiner Seite sein!"

Dieses Erlebnis gab ihm Mut und Kraft zum Weitermachen - nicht nur während des Busboykotts, sondern auch bei allen noch vor ihm liegenden Aufgaben. Er wusste, dass die Gewaltlosigkeit der einzig richtige Weg sein konnte, um Unrecht zu beseitigen, dass Gleiches nicht mit Gleichem vergolten werden durfte.
Er war so stark, dass er Sätze sagen konnte wie: "Ihr könnt uns töten und unseren Besitz zerstören, aber wir werden euch trotzdem lieben."
Dies konnte er sogar noch sagen, als er beinahe selbst Opfer eines Mordanschlags durch eine geisteskranke schwarze Frau wurde.
Die Schwarzen hatten endlich ihr Selbstbewusstsein gefunden. Sie ließen sich nicht mehr länger ,boy' (Junge) nennen, egal in welchem Alter, und sie befreiten sich von dem bösartig gemeinten "Jim Crow": Jim als Allerweltsname wie in Deutschland Fritz oder Hans, und Crow (Krähe), was noch eine zusätzliche Beleidigung darstellte: es war nicht nur ,Du schwarzer Vogel' (geringschätzige Bezeichnung) gemeint, sondern darüber hinaus, dass die Krähe die frisch gesäte Saat aus den Ackerfurchen pickt = die Schwarzen schmarotzen sich durch, ernähren sich von anderer Leute (der Weißen nämlich!) Arbeit. Dieses Wort "Jim Crow" entmenschlichte die Schwarzen.

Daß all dies nicht problemlos geschah, kann man sich denken. In der Zeit von 1955 bis 1968 war MLK über dreißigmal im Gefängnis. Oft waren es einfach Vorwände wie eine geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung, die sich nicht beweisen ließen, oder er hatte vergessen, seinen Führerschein umschreiben zu lassen.
Anfang der 60er Jahre entstand auch das Protestlied "We shall overcome".

In der Stadt Birmingham, Alabama, demonstrierte man mit MLK für eine Aufhebung der Rassentrennung. Birmingham war rassistisch geprägt und wurde praktisch ,beherrscht' von ihrem Polizeichef Theophil Eugene Connor, genannt ,Bull' wegen seiner bulligen Statur. Das war ein Typ, wie man John Wayne aus dem Fernsehen kennt: Diese Stadt gehört mir! King wurde mit ca. 500 anderen Mitstreitern, auch Jugendlichen und sogar Kindern, ins Gefängnis gesperrt, weil er diese Demonstration gegen rassistische Ungerechtigkeiten und Verstöße gegen die Bundesgesetze angeführt hatte. Dies war im April 1963. Die Bürgerrechtler wollten die Gefängnisse bis zum Rand ihrer Aufnahmefähigkeit mit ihren Mitgliedern füllen, damit das Gefängnissystem dem Zusammenbruch nahekam.

Kings Gefängnisaufenthalt war verbunden mit einem Kontaktverbot nach draußen. Die Kontaktsperre
wurde erst durch ein Eingreifen von Präsident Kennedy aufgehoben. Darüber hinaus wurden King und seine Sympathisanten in einem Offenen Brief in einer Zeitung von weißen Pfarrern (!) von Birmingham
angegriffen, er habe sich ,in die inneren Angelegenheiten von Birmingham eingemischt, in eine Situation,
die er als Fremder und Außenstehender nicht kenne'. King antwortete ebenfalls in einem Leserbrief, dass ,nicht die Demonstrationen schuld seien, sondern die Tatsachen, die zu solchen Demonstrationen führten, das Unrecht, das den Schwarzen angetan werde.' Er bezeichnete sich als "Extremisten der Liebe". Diesen
Brief aus dem Gefängnis von Birmingham schrieb er auf dem weißen Rand einer Zeitung, weil er zwar einen Stift besaß, jedoch kein Schreibpapier!
Bald darauf wurden King und seine Anhänger aus dem Gefängnis entlassen. Polizeichef ,Bull' Connor wurde seines Amtes enthoben. So wie ,Bull' Connor in seiner Eigenschaft als Polizeichef von Birmingham Angst vor Veränderungen (d.h. der Abschaffung der Rassentrennung) hatte, so war dies auch bei Gouverneur (= vergleichbar mit einem deutschen Ministerpräsidenten) George Wallace der Fall.
Bessere Schul-, Ausbildung und Arbeitsbedingungen für Schwarze wurden vereinbart und die Rassentrennung aufgehoben. Doch der Haß (in den Köpfen) der Weißen war so groß, dass Menschen angegriffen, verletzt und sogar getötet wurden, Häuser und Kirchen wurden in Brand gesteckt. Im September 1963 verübte der Ku-Klux-Klan einen Bombenanschlag auf die 16th Street Baptist Church, eine von Schwarzen besuchte Kirche in Birmingham, bei dem vier schwarze Mädchen von 11 und 14 Jahren während des Sonntagsschulunterrichts getötet wurden.
Im Frühjahr 1964 wurden im Nachbarstaat Mississippi drei Bürgerrechtler (zwei weiße und ein schwarzer) ermordet.
Großen Anteil an der gewaltfreien Veränderung der bestehenden rassistischen Gesetze hatten auch die sogen. Freedomriders (Freiheitsfahrer), überwiegend junge Leute, die quer durch die Südstaaten fuhren, sich bewusst in segregierten Räumen aufhielten, dort mit Weißen sprachen, um sie zum Überdenken ihrer zutiefst unchristlichen Verhaltensweise zu bewegen. "Wenn wir nicht für unsere Rechte kämpfen, wer dann?"

Jetzt fühlte man sich bereit, eine Großdemonstration gegen Rassismus durchzuführen: den Marsch auf Washington am 28.8.1963. Aus allen Teilen der USA kamen 250.000 Menschen nach Washington, um dort gewaltfrei für Freiheit, Gleichberechtigung und Solidarität der schwarzen Bevölkerung zu
demonstrieren. Alle Menschen guten Willens, Schwarze, Weiße, einfache Arbeiter, gebildete Bürger,
berühmte und "kleine" Leute, verschiedene Kirchen, Nichtchristen - alle mit dem gleichen Ideal der Gleichheit der Menschen, schwarz, weiß oder andersfarbig, waren zusammengekommen, um MLK, ihrem ,Idol' nahe zu sein. King hielt seine berühmt gewordene Rede "Ich habe einen Traum", in der er von dem Tag sprach, an dem die Menschen nach ihrem Charakter beurteilt würden und nicht nach dem Aussehen, dass der Glaube an ein besseres Morgen alle befähigt, zusammen zu arbeiten, zu beten, zu kämpfen, für die Freiheit aufzustehen und sogar ins Gefängnis zu gehen.

Nach dem Marsch auf Washington beginnt FBI-Chef Hoover (FBI = oberste Polizeibehörde) einen unglaublichen Überwachungsvorgang. Kings Post wurde geöffnet und gelesen, das Telefon zuhause und auch in den Hotelzimmern wurde durch sogen. elektronische ,Wanzen' abgehört, selbst unter Kirchenkanzeln wurden ,Wanzen' angebracht. Hoover mußte auch etliche Helfer dabei gehabt haben. Er wollte King in eine Schmuddelecke stellen. Angebliche sexuelle Verfehlungen, homosexuelle Neigungen, kommunistische Aktivitäten und Staatsgefährdung sollen King und damit den Kopf der Bürgerrechtsbewegung "fertigmachen". Doch alle Unterstellungen, Verleumdungen und Haß Hoovers konnten King nicht kleinkriegen - Hoover konnte King nicht erpressen. Das war anders, als der FBI-Chef es bislang gewohnt war, selbst bei Präsidenten und Ministern. Nur weil die Obersten des Landes erpressbar waren, konnte Hoover eine schier unglaubliche Macht ausüben, und das fast 50 Jahre lang! Aber eben nicht bei KING!

King ging unbeirrbar seinen gewaltlosen Weg weiter und wurde im Dezember 1964 dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Dies war ihm jedoch nur ein weiterer Ansporn, denn noch lange waren nicht alle Ungerechtigkeiten beseitigt. Sogar der Civil Rights Act, das Bürgerrechtsgesetz, das Präsident Johnson im Juli 1964 unterzeichnete und eine Aufhebung der Rassentrennung in allen Bereichen der USA verlangte, änderte nichts.
An der Verleihung des Friedensnobelpreises hatte Hoover natürlich auch was auszusetzen, denn diesen Preis hätte er nur allzu gern selbst verliehen bekommen! (Für was eigentlich? - 40 Jahre unfallfreies Spitzeltum?)                                                           

In der Kleinstadt Selma bei Montgomery, Alabama, ging es um die Eintragung der Schwarzen in Wählerlisten. Wer nicht drin stand, durfte nicht wählen. Durch allerlei Schikanen versuchte man, eine Eintragung in die Wählerlisten zu verhindern, z.B. ein demütigendes Befragen über die amerikanische Geschichte als Voraussetzung zur Eintragung. "Wieviel Zusatzartikel hat die amerikanische Verfassung und wie lauten diese?" Oder auch: "Wieviel Seifenblasen kann man aus einem Stück Seife machen?" - Hier wären auch die meisten Weißen gescheitert und die hatten eine bessere Schulbildung als die Schwarzen. Doch die Weißen wurden nicht befragt! Im März 1965 konnte nach drei Märschen von Selma nach Montgomery (ca. 50 km) endlich die Eintragung in die Wählerlisten (ohne Befragen!) und somit das Wahlrecht erreicht werden. Ein Priester wurde während des zweiten Marsches durch Polizeiübergriffe so schwer verletzt, dass er kurze Zeit später an den Folgen seiner Kopfverletzung starb. Ein junger Mann und eine Frau, Mutter von 5 Kindern, wurden vor Beginn bzw. nach Beendigung der Demonstrationen von Gegnern der Bürgerrechtsbewegung getötet. Die Polizei setzte auch Hunde und Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein. So kam es zu Verwundungen aller Art, Bisse, oder durch den Wasserdruck, der nicht nur Kindern die Beine wegriß oder jemanden quer über die Straße schleudern konnte.

Im Juli 1966 fand ein Protestmarsch in der Millionenstadt Chicago statt, für bessere Lebensbedingungen und menschenwürdigere Wohnungen. Doch hier im Norden waren die Verhältnisse anders als in den Staaten des Südens: Die Schwarzen lebten fast ausschließlich konzentriert in den Billigwohnungen, was sich dann zu einer Art Ghetto entwickelt hatte. Dies war in allen Großstädten ähnlich, hatte erheblichen ,sozialen Sprengstoff' (Kriminalität, Arbeitslosigkeit) in sich. In diesem Klima hatte die gewaltlose Bewegung Kings kaum eine Chance, das war das Feld der Black-Panther-Bewegung oder der Black Muslims, deren Anführer Malcolm X 1965 ermordet wurde. Diese Gruppen schreckten bei einer Verbesserung der Situation für die Schwarzen auch vor Gegengewalt nicht zurück. Das war MLKs Prinzip niemals, er war immer gewaltlos. Um ein gleiches Wohnrecht für alle zu erreichen, wurde zwar eine Vereinbarung abgeschlossen, doch blieb es dabei, dass viele Vermieter die besseren Wohnungen nur an Weiße vergaben. Auch wenn diese vereinbarte Verbesserung nicht verbindlich umgesetzt werden würde, wusste King, dass eine Willensbekundung in Gewaltlosigkeit und Einheit oftmals wichtiger war als der letztlich große Erfolg.

So ähnlich war es denn auch bei der Demonstration gegen den Vietnamkrieg in New York im April 1967. Überdurchschnittlich viele schwarze junge Männer waren als Soldaten in einem Krieg, bei dem sie Seite an Seite mit Weißen kämpfen mussten, mit denen sie zuhause keinen öffentlichen Raum gemeinsam  betreten durften und sogar auf verschiedenen Friedhöfen beerdigt werden mussten.
Da King in der Riverside Kirche in New York diesen Krieg besonders scharf kritisierte, war er nun für Hoover vollends zu einem nationalen Sicherheitsrisiko geworden. King warf den USA vor, "in der Welt die Medizin zu verteilen gegen die Krankheit, an der sie selber litten".  Das heißt: USA prangert Länder wegen Ungerechtigkeiten und undemokratischen Verhaltens an, machen aber zuhause genau dieses bei den Schwarzen, nämlich ungleiche Behandlung, benehmen sich im eigenen Land selbst undemokratisch.

Die Bürgerrechtler unter Leitung von King wollten 1968 eine "Kampagne der Armen" organisieren, die ihren Höhepunkt darin finden sollte, dass die ärmsten Bürger der USA in Washington D. C. für ihre Rechte demonstrierten. Man wollte solange vor Ort bleiben, bis von der Regierung ein entsprechendes Gesetz zur Verbesserung der Lebensbedingungen beschlossen würde.                                                                                                                               
Im März 1968 streiken die Müllmänner in Memphis, Tennessee. Sie waren die schlechtbezahltesten Arbeiter und hatten oftmals noch nicht mal das Brot über Nacht zuhause (nicht nur im sprichwörtlichen Sinne, sondern sehr real). Aber auch sie wollten menschenwürdig leben. Deswegen war dieser "Marsch der Armen" auch verbunden mit dem Motto "Ich bin ein Mensch" (I am a man). Und hier kam es erstmals überhaupt zu Krawallen (die durch das FBI bzw. vom FBI eingeschleußten Black-Panthers-Leuten provoziert wurden, wie man heute weiß) bei den sonst immer friedlich und gewaltlos verlaufenden Demonstrationen. MLK bittet um Aufhebung des Demonstrationsverbots, weil er erkannte, welche Probleme die Streikenden hatten. Er sprach auch mit den Black-Power-Leuten, um sie von der Gewaltlosigkeit zu überzeugen. King fühlte sich verantwortlich für die Menschen - für die Müllarbeiter, aber auch für die Black-Power-Aktivisten, selbst wenn diese ihn als ,Onkel Tom' verhöhnen (Anm.: ,Onkel Tom' - einer, der nicht massiv genug eintritt, sondern es auf die ,sanfte Tour' erreichen will, im Gegensatz zu den Black-Power-Leuten.)                                   

Am Abend des 3.4.68 sprach King vor den Teilnehmern des nächsten geplanten "Marsches der Armen". In den letzten Tagen hatte er verschiedene telefonische Drohungen erhalten, er solle die Stadt verlassen,
wenn ihm sein Leben lieb sei. Diese Anspannung wurde deutlich in seiner Rede, in der er, neben den Grundrechten der Menschen, davon sprach, dass er auf dem Gipfel des Berges gestanden und ins Gelobte Land gesehen habe, in das sein Volk einziehen werde, auch wenn er nicht dabei sein könne (wie
einst Mose, der die Israeliten ins Gelobte Land geführt hatte, das Gott ihm zwar zeigte, das er jedoch nicht mehr betreten sollte). Wie ahnungsvoll diese Rede war, sollte sich sehr bald zeigen

Am nächsten Abend, dem 4.4.1968, wurde MLK nach der Vorbereitung der Demonstration auf dem Balkon seines Hotelzimmers in Memphis, Tennessee, erschossen. In vielen Städten brachen Unruhen aus, Zeichen von Trauer, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Coretta King ermahnte die Bevölkerung,
nicht in Aggression auszubrechen, es würde ihren Mann zutiefst verletzen, wenn man nicht jetzt auch an der Gewaltlosigkeit festhielte.

So wurde seine Beerdigung auch zu einer Demonstration des Friedenswillens. Bei der Trauerfeier wurde ein Tonband mit Kings Vermächtnis abgespielt: Er versuche, ein Leben im Dienst für die Menschheit zu hinterlassen. Am 9.4.68 säumten 50.000 Menschen den Weg zum ehemaligen Sklavenfriedhof in Atlanta, seiner Geburtsstadt, auf dem er seine letzte Ruhe findet.

Nach Kings Tod kam die geplante Großdemonstration so allerdings nicht mehr zustande. Nur Coretta King und wenige Anhänger konnten die gewaltlose Bewegung nicht weiterführen wie MLK.

Vor dem Hotel, auf dessen Balkon King erschossen wurde, steht heute eine Gedenktafel mit der Inschrift, die bezeichnend ist für diesen Ort: "Laßt uns den Träumer erschlagen; dann werden wir sehen, was aus seinen Träumen wird." (1. Mose 37,20 >Josefsgeschichte<).
(Genesis, 37:20 - Let us slay him and we shall see what will become of his dreams.)
Über dem Grab steht heute ein Gedenkstein mit Worten eines alten Spirituals: ,Free at last, free at last' (Zuletzt werde ich frei sein!).

Nachtrag (P.S.): Als Mörder verurteilt wurde James Earl Ray im Jahr 1969 zu 99 Jahren Gefängnis. Ray starb am 23.4.1998 im Gefängniskrankenhaus von Nashville, Tennessee. Ray hatte jedoch seine Schuld geleugnet; immer wieder waren Zweifel aufgetaucht, besonders in den letzten Jahren, ob er der wirklich wahre Schuldige ist/war. Vieles sprach für ein Komplott von FBI, CIA (Geheimdienst), örtlichen und staatlichen Regierungskreisen, Armee und Mafia. FBI-Chef Hoover war besessen von der Idee, der schwarzen gewaltlosen Bürgerrechtsbewegung den Garaus zu machen, natürlich ohne haftbar dafür zu sein! Da die bereits erwähnten Vorwürfe nicht griffen, war eine Ermordung Kings das letzte Mittel, um ans "Ziel" zu gelangen. Daß ausgerechnet Hoover, der King jahrelang abhören ließ, nicht gewusst haben will, was am 4.4.68 -dem Todestag- passierte, ist höchst unwahrscheinlich. Zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens "Ray - King" kam es nicht mehr mit Beteiligung von Ray. Aber die Familie King will versuchen, eine Revision zu erreichen. Dexter King, der jüngere Sohn von MLK, sprach kurz vor Rays Tod mit ihm und war von dessen Unschuld überzeugt. So hatte Ray wenigstens so was wie irdisch-moralische Gerechtigkeit durch die Hinterbliebenen erfahren dürfen.

1999 wurde von einem Gericht in Memphis festgestellt, dass MLK Opfer einer Verschwörung geworden war und nicht eines Einzeltäters. Als ausführender Mörder wurde Loyd Jowers festgestellt. Aufgrund seines Alters und Krankheit hat die Familie King auf einen weiteren Prozeß gegen Jowers verzichtet und nur verlangt,  dass er eine symbolische Strafe von 100 Dollar an die Müllbetriebe von Memphis zahlen solle.
Die Familie King wollte nur die Wahrheit aufdecken, jedoch keine Rache gegen den wirklichen Mörder ausüben. Für ein neues Verfahren hätten sämtliche Indizien neu aufgerollt werden müssen. Die Akten des gesamten Verfahrens liegen derzeit bis zum Jahr 2029 unter Verschluß, wohlverwahrt, wenn dieser Ausdruck hierfür passend ist. Dann wird kein Verantwortlicher mehr am Leben sein. Die müssen sich vor einer anderen als der irdischen Instanz rechtfertigen.

Seit 1986 ist der 3. Montag im Januar (der Montag nach Martin Luther Kings Geburtstag bzw. falls der Geburtstag Kings auf den 3. Januarmontag fällt) gesetzlicher Feiertag in den USA, der sogenannte Martin-Luther-King-Day.



Autorin: Annemarie Diefenbach

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Q U E L L E N

Bücher:
G.J. Bos: Martin Luther King
A. Zitelmann: Keiner dreht mich um - Die Lebensgeschichte des Martin Luther King
A. Summers: J.E. Hoover - Der Pate im FBI
Martin Luther King: Ich habe einen Traum
G. Presler: Martin Luther King
R. Italiaander: Köpfe des 20. Jahrhunderts - Martin Luther King
W.F. Pepper: In der Schusslinie - Die wahren Hintergründe der Ermordung von Martin Luther King
W.F. Pepper: Die Hinrichtung des Martin Luther King
Martin Luther King: Kraft zum Lieben
J.H. Cone: Für mein Volk - Schwarze Theologie und schwarze Kirche
Uwe Hoering: Zum Beispiel - Sklaverei
Der Sklavenhandel, Bilder und Dokumente


Dokumentationen:
Martin Luther King - Dann war mein Leben nicht umsonst ... (Original mit deutschen Untertiteln)
Martin Luther King - Dann war mein Leben nicht umsonst ... (Original mit Simultanübersetzung)
Wer erschoß Martin Luther King?
Tod in Memphis
Vier kleine Mädchen
Freedom on my mind

Es gibt noch weitere Bücher und Dokumentationen/Filme über Kings Leben und Werk. Bitte bei einer Buchhandlung, Bücherei oder sonstigen Medienzentrale nachfragen.

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Links:

The King Center

The M.L. King Jr Papers Projekt

Martin Luther King Zentrum

Videos über Martin Luther King bei YouTube


Email Erstellt am 24.04.2002, Version vom 2.11.2017, Copyright Annemarie Diefenbach,  GNU-FDL
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